(3) Die Anfänge der Kinderheilkunde in Berlin 

Die Kinderklinik der Charité

 

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Abb. 1: Ehemalige Kinderklinik der Charité Mitte heute. Erste Eröffnung einer universitären Kinderabteilung am 12.01.1830

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Abb. 2: Carl Gerhardt (1833 – 1902), Internist. Er gab das erste Handbuch für Kinderheilkunde heraus und leitete die Charité Kinderklinik im Wintersemester 1893/1894

 

Die Direktoren der Universitätskinderklinik von 1872 – 1944

 

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Abb. 3: Heinrich Henoch, (1820 – 1918). Direktor der Charité Kinderklinik 1872-1893

Der erste Direktor der Kinderklinik der Charité, der einen wissenschaftlichen Anspruch verkörperte war Eduard Heinrich Henoch. Henoch war wie Carl Gerhardt, dem wir das erste integrierende Handbuch der Kinderheilkunde verdanken, Internist. Er habilitierte 1850. Henoch wurde 1858 zum außerordentlichen Professor ernannt und übernahm 1872 das Direktorat der Universitätskinderklinik, die er bis 1893 leitete.

Fachlich – wissenschaftliche Leistungen

Der Name Henoch ist uns noch heute durch die Purpura Schönlein-Henoch bekannt. Henoch publizierte als exakter klinischer Beobachter seine Erfahrungen in Form eines „Handbuches für Ärzte und Studierende“, das den Titel: „Vorlesungen über Kinderkrankheiten“ trug. Das Buch wurde ins Französische, Englische und Russische übersetzt.

Engagement für die Entwicklung der Pädiatrie

Henoch gehörte als einziger Universitätsprofessor dem Vorstand der 1883 gegründeten Gesellschaft für Kinderheilkunde an und setzte sich engagiert für die Selbständigkeit der Pädiatrie ein (Oehme 1993).

Die Erfolge bei der Betreuung von Säuglingen waren in der Berliner Universitäts-Kinderklinik zu seiner Zeit so negativ, dass er seinem Nachfolger Otto Heubner empfahl, die Säuglingsstation eingehen zu lassen, da sie nur die Kinderklinik diskreditiere.

 

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Abb. 4: Otto J. L. Heubner (1843 – 1926). Erster Ordinaris für Kinderheilkunde, Charité-Kinderklinik, 1894-1913

Otto Heubner ist der herausragende Pädiater der Jahrhundertwende. Er war als erster deutsche Kinderarzt Ordinarius für Kinderheilkunde (27.12.1894). Die Ernennung ist neben fachlichen Leistungen vor allem der Weitsicht des preußischen Ministerialdirektors Friedrich Althoff zu verdanken, der die selbständige Entwicklung der Kinderheilkunde so förderte.

Heubner leitete die Universitätskinderklinik von 1894 – 1913. Er begründete die erste pädiatrische Schule als auch die wissenschaftlich orientierte Pädiatrie. Bekannteste Schüler sind H. Finkelstein, L. Langstein, E. Müller (Berlin), C.T. Neoggerath (Freiburg), H. Rietschel (Würzburg), B. Salge (Bonn) und W. Stoeltzner (Königsberg, Berlin).

Fachlich-wissenschaftliche Leistungen

Otto Heubner hatte ein breites klinisches Fundament als Internist und praktischer Arzt, als er sich verstärkt der akademischen Medizin zuwandte. Er wurde 1873 außerordentlicher Professor für Innere Medizin in Leipzig und leitete die Poliklinik, in der Kinder und Jugendliche zu seinen Patienten gehörten. Weitere Erfahrungen konnte er als Direktor der 1891 neugebauten Leipziger Kinderklinik sammeln. Schwerpunkte wissenschaftlicher Arbeit Heubners in Berlin waren Säuglingsphysiologie und –pathologie, Ernährungsstörungen, Nierenerkrankungen und Tuberkulose. Die Zöliakie wird noch heute als Heubner-Hertersche-Erkrankung bezeichnet. Bereits 1892 hatte Heubner das Behringsche Heilserum erprobt. 1901 führte er den Begriff des Ernährungsquotienten ein. Die für die Ernährung des Säuglings erforderliche Kalorienmengen wurden quantifiziert. Berühmt wurde das von Heubner 1903 herausgegebene Lehrbuch der Kinderheilkunde.

Engagement für die Kinderheilkunde und soziale Fragen

Heubner leitete 1883 bei der Gründung der (Deutschen) Gesellschaft für Kinderheilkunde die Satzungskommission. Hervorzuheben ist auch sein Engagement für den Kinder- und Säuglingsschutz und die Kinderfürsorge. Otto Heubner war wesentlich daran beteiligt, dass 1918 die Pädiatrie zum Prüfungsfach erhoben und damit deutlich aufgewertet wurde. Heubners Name ist heute noch lebendig durch den „Otto-Heubner-Preis“, den höchsten wissenschaftlichen Preis der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Der Preis wurde bereits nach der Emeritierung Otto Heubners 1913, d. h. vor mehr als 100 Jahren gestiftet.

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Abb. 5: Lehrbuch der Kinderheilkunde von Heubner (1903)

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Abb.6: Adalbert Czerny (1863 – 1941). Direktor der Charité-Kinderklinik 1913-1932

Unter Otto Heubners Nachfolger Adelbert Czerny erreichte die Universitätskinderklinik der Charité Weltgeltung.

Czerny wurde am 25. März 1863 in Szczakowa / Galizien geboren. Er erhielt seine kinderärztliche Ausbildung bei Alois Epstein in Prag. 1893 habilitierte er sich für Kinderheilkunde. Bereits 1884 erhielt er eine Professur als a.o. Professor in Breslau. Hier arbeitete er 16 Jahre und nahm dann eine Professur an der Universität Straßburg als planmäßiger Ordinarius und Direktor der neuerbauten Universitäts-Kinderklinik an. Nach der Emeritierung Heubners übernahm Czerny für fast 29 Jahre (1913 – 1932) als Direktor die Kinderklinik der Charité. Nach der Emeritierung leitete er zwei Jahre (1935 – 1937) die Kinderklinik der Medizinischen Akademie Düsseldorf. A. Czerny starb am 03.Oktober 1941 in Berlin.

Fachlich-wissenschaftliche Leistungen

Czernys 117 wissenschaftliche Publikationen umfassen ein breites Feld der Kinderheilkunde. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war den Ernährungsstörungen gewidmet, einem Fachbegriff der als Ganzheitsbegriff den gesamten Organismus umfasst und von ihm geprägt wurde. Dies gilt auch für die Rachitis als Gesamtkörpererkrankung. Ebenso wurde der noch heute verwandte Begriff der „Säuglingstoxikose“ vom ihm eingeführt, der Unterschied zwischen Milch- und Mehlnährschäden herausgestellt und der Konstitution in die Betrachtung von Krankheitsbildern einbezogen (z.B. schuf er den Begriff der „exsudativen Diathese“). Er fordert eine Gesamtbetrachtung des Patienten und nicht nur die Beachtung einzelner Krankheitssymptome. Zusammen mit A. Keller publizierte er bereits 1906 ein grundlegendes Buch mit dem Titel „Des Kindes Ernährung, Ernährungsstörungen und Ernährungstherapie“. Am bekanntesten wurde seine Schrift „Der Arzt als Erzieher des Kindes“, die 1908 erstmals erschien. Nach heute belehrend ist das nach der Emeritierung (1939) entstandene Buch „Pädiatrie meiner Zeit“.

„Czernys Schule“

Czerny war ein ideensprühender und begnadeter Lehrer. An seiner Klinik arbeiteten Volontärärzte und Gastärzte aus vielen Ländern. Wie Heubner (Berlin) und Pfaundler (München) begründete Czerny eine Pädiatrie-Schule. Seine bekanntesten Schüler waren: H. Kleinschmidt (Göttingen), A. Peiper (Leipzig), H. Opitz (Heidelberg), K. Stolte (Breslau, Rostock). Eine Ausbildung unter Czerny erhielten auch E. Glanzmann (Bern) und G. Frontali (Rom).

Die deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde ehrt das Andenken des größten deutschen Pädiaters durch die Verleihung des begehrten Czerny-Preises.

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Abb. 7: Populärste Schrift Czerny´s (1. Auflage 1908)

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Abb. 8: Georg Bessau (1884 – 1944) Direktor der Charité-Kinderklinik 1932-1944

Bessau wurde am 25. Januar 1884 in Elbing (Westpreußen) geboren. Das Medizinstudium und die Promotion schloß er in Breslau ab. Nach einer Assistententätigkeit am Hygiene-Institut in Breslau (Leitung R. Pfeiffer), wo er Bakteriologie und Immunologie lernte, erhielt er seine Facharztausbildung in Breslau unter C. v. Pirquet und L. Tobler. Die Habilitation erfolgte 1915, 1920 wurde Bessau durch Vermittlung von A. Czerny nach Marburg berufen. 1922 erfolgte bereits die Berufung an die Universitäts-Kinderklinik Leipzig. 1932 übernahm Bessau in Nachfolge Czernys den Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der Kinderklinik der Charité in Berlin. Aufgrund der Rassengesetze mussten unter Bessaus Direktorat 1933 auch Assistenten der Universitätskinderklinik Charité die Klinik verlassen.

Unter G. Bessau wurde die Kinderklinik der Charité rekonstruiert und erhielt Neubauten. G. Bessau musste 1944 erschüttert mit ansehen, dass ein Teil des Neubaus im Bombenhagel zerstört wurde.

  1. Bessau verstarb am 24. November 1944 an einem Hirntumor.

Fachlich-wissenschaftliche Leistungen

Bessau arbeitete über die Serumkrankheit (die Tuberkulinempfindlichkeit) und an der Verbesserung des Tuberkulose-Impfstoffes sowie über Fragen der Ernährung und des Stoffwechsels. Eines seiner größten Verdienste ist seine Mitarbeit bei der Einführung einer staatlich kontrollierten Vitamin D-Prophylaxe der Rachitis im Jahre 1939.

Zur Therapie der Coli-Dyspepsie führte er Trockenreisschleim ein, der die Vermehrung von Coli-Bakterien reduziert. Bakteriologisch orientiert war auch sein Bemühen eine künstliche Säuglingsnahrung zu entwickeln, die wie Frauenmilch die Entwicklung von Bifidumflora im Dickdarm ermöglicht. Diese wurde als „Bessau’sche Vatermilch“ bekannt.

Bessau wurde 1935 Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Kinderheilkunde, er war Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Säuglings- und Kleinkinderschutz und gab von 1935 bis 1944 für ca. 10 Jahre die Monatsschrift für Kinderheilkunde heraus.

 

Die Charité nach 1945

Nachdem die Kinderklinik der Charité bereits im Januar 1944 durch Phosphorbomben getroffen wurde, erfolgten weitere schwere Zerstörungen durch einen Bombenangriff im Januar 1945. Wenige Wochen nach dem Tod Bessaus übernahm H. Kleinschmidt (1885 – 1977) das Direktorat der Charité-Kinderklinik vom 03. Dezember 1944 bis zum Mai 1945. Vom Mai 1945 bis zum Juli 1945 hatte der letzte an der Charité verbliebene Assistenzarzt, Dr. Camann, die Leitung inne.

Der Neuanfang begann im Juli 1945 mit dem ehemaligen Heubner-Schüler, dem nunmehr 73jährigen W. Stoeltzner (1872 – 1954). In zwei Jahren gelang es ihm, die Arbeitsfähigkeit der Klinik wiederherzustellen. In dieser Zeit wurde auch die Humboldt-Universität (am 29. 01. 1946) wiedereröffnet. Unter dem Nachfolger Stoeltzners, K. Klinke (1897 – 1972), der die Kinderklinik vom Oktober 1947 bis April 1951 leitete, wurde die wissenschaftliche Arbeit wieder aufgenommen. Eine pädiatrisch-kardiologische Arbeitsgruppe zur präoperativen Diagnostik wurde aufgebaut und die Ernährungsforschung wiederbelebt. Der Nachfolger Klinkes, H. Brugsch, übernahm nach wenigen Monaten die Leitung der Kinderabteilung des Krankenhauses Moabit in West-Berlin. So leitete 1951 F. H. Dost, von der Leipziger Kinderklinik zunächst kommissarisch und ab Januar 1953 als Ordinarius, die Kinderklinik. Dost wurde international bekannt durch die Erarbeitung der Grundlagen der Pharmakokinetik. Sein Werk „Der Blutspiegel“ erschient 1953. Dost wechselte 1959 an die Universitätskinderklinik Gießen. Ihm folgte nach einem Interim vom F.M.G. Otto (später Dessau) J. Dieckhoff (1960 – 1972) von 1972 bis 1991 leitete P. Großmann die Kinderklinik, gefolgt von E.L. Grauel (1991 – 1994) und ab 1994 G. Gaedicke. 1996 wurden entsprechend dem Berliner Krankenhausplan die Universitätskinderkliniken der Freien Universität, das Kaiserin Auguste Victoria Haus und die Universitätskinderklinik in der Reinickendorfer Str. (Wedding) und die Universitätskinderklinik der Charité unter dem Dach der Humboldt-Universität (Charité) schwerpunktmäßig auf dem Gelände des Virchow-Klinikums fusioniert. Aus den vereinigten Kliniken entstand das hochleistungsfähige Otto-Heubner-Zentrum für Pädiatrie und Kinderchirurgie der Charité-Universitätsmedizin, dessen erster Sprecher von 1996 bis 2001 E.L. Grauel war. Ihm folgte 2001 M.Obladen. Derzeitiger Sprecher des Zentrums ist seit 2003 der Pulmologe / Allergologe U. Wahn.

Am Standort Berlin-Mitte befindet sich derzeit noch eine neonatologische Klinik der Charité.

 

Quelle: Poster-Zusammenstellung V. Hesse, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin „Lindenhof“ Berlin, Akad. Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin;  E.L. Grauel, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Charité-Universitätsmedizin; Design: St. Lüder, U. Voß, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin „Lindenhof“ Berlin, Akad. Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin. Bearbeitet C. Bader. 

 

4 – Die Anfänge der Kinderheilkunde in Berlin

Das Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus – die spätere Kinderklinik des Universitätsklinikums Rudolf Virchow an der Reinickendorfer Straße im Wedding.

Das Oscar-Helene-Heim zur Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder in Berlin-Dahlem.